Verständnis Und Messung Des Betriebs- Und Beschleunigungsdrehmoments Eines Schrittmotors

Schrittmotoren sind per Definition bürstenlose Motoren; als solche bieten sie zahlreiche Vorteile gegenüber Gleichstrommotoren, insbesondere bei Anwendungen, die ein kostengünstigeres und präziseres Positionierungssystem erfordern. Um den richtigen Schrittmotor für eine Anwendung auszuwählen, ist es entscheidend, dass der Konstrukteur die Betriebs- und Beschleunigungsdrehmomentkurven des Schrittmotors kennt und berücksichtigt.

VERGLEICH VON BLDC-MOTOREN UND SCHRITTMOTOREN

Abbildung 1 zeigt das von einem dreiphasigen BLDCMotor mit sechsstufiger Kommutierung entwickelte Drehmoment. Die Rückführung der in den Motor integrierten Hall-Sensoren wird zur Bestimmung der Rotorposition genutzt. Diese Informationen ermöglichen die Kommutierung der drei Phasen im richtigen Moment, um einen Winkel von 90° +/- 30° zwischen dem Magnetfeld des Rotors und des Stators aufrechtzuerhalten. Es kommt zwar zu einer geringen Stromwelligkeit, aber das vom Motor entwickelte Drehmoment ist ziemlich stabil und nicht wesentlich von der Rotorposition abhängig. Die Verwendung eines hochauflösenden Encoders für eine präzisere Rückführung der Rotorposition würde die Drehmomentwelligkeit auf beinahe Null reduzieren.

Abbildung 2 zeigt eine einfache Version eines Schrittmotors: ein Magnet mit einem Polpaar, der als Rotor dient, und zwei getrennte Phasen, die sich im Stator befinden. Diese Konstruktion bietet vier volle Schritte über eine mechanische Umdrehung. Die sich daraus ergebenden Drehmomentkurven, bei denen jede Phase mit einem Dauerstrom versorgt wird, sind in Abbildung 3 dargestellt (blaue und orangefarbene Graphen). Wenn der Motor im Vollschrittbetrieb läuft und nur eine Phase gleichzeitig aktiv ist, wird ein Strom in der folgenden Reihenfolge angelegt: A, B, -A, -B.

Die grünen Graphen in Abbildung 3 veranschaulichen das resultierende Drehmoment an der Motorwelle. Anders als bei einem BLDC-Motor hängt das Motordrehmoment eines Schrittmotors stark von der Rotorposition ab. Ein Schrittmotor läuft in der Regel im Open-Loop- Modus ohne Rückführung der Rotorposition, um ein kostengünstiges und einfaches Design zu erreichen. Die Kommutierung erfolgt also über ein externes Signal (Schritte pro Sekunde) ohne Kenntnis der aktuellen Rotorposition. Bei einer „idealen“ Kommutierung würde der Strom in der Phase fließen, wenn sich der Rotor genau zwischen zwei Phasen befindet. Im offenen Kreislauf (d. h. ohne Rückführung der Rotorposition) befindet sich der Rotor jedoch möglicherweise nicht immer in der idealen Position. Diese Unsicherheit muss bei der Dimensionierung eines Schrittmotors durch Anwendung eines Sicherheitsfaktors auf das Betriebsdrehmoment berücksichtigt werden.

Nachdem wir uns nun die Unterschiede zwischen Drehstrom-BLDC- und Schrittmotoren angesehen haben, wollen wir uns mit dem Betriebs- und Beschleunigungsdrehmoment von Schrittmotoren befassen.

DAS BETRIEBSDREHMOMENT VON SCHRITTMOTOREN

So wird das Betriebsdrehmoment gemessen

TUm besser zu verstehen, wie das maximale Betriebsdrehmoment definiert wird, muss man verstehen, wie es gemessen wird. In der Regel wird das Betriebsdrehmoment unter den folgenden Bedingungen gemessen:

  • Keine Last am Motor
  • Offener Regelkreis
  • Mit einem speziellen Treiber

Abbildung 4 zeigt den Messaufbau für das Betriebsdrehmoment. Der Motor wird an einen Treiber angeschlossen, der die Drehrichtung und die Geschwindigkeit des Motors durch ein Impulssignal bestimmt. Die Motorwelle ist mit einem variablen Bremssystem (z. B. einer Wirbelstrombremse) verbunden, wodurch eine variable Last an den Motor angelegt werden kann.

Die Messung selbst läuft folgendermaßen ab:

1. Der Motor wird ohne Last gestartet und zu Beginn auf eine vorgegebene, eher niedrige Drehzahl von 100 Impulsen pro Sekunde (oder pps) gebracht.
3. Mit Hilfe des Bremssystems wird die auf die Motorwelle ausgeübte Last erhöht, bis der Motor seine Synchronisierung verliert.
4. Die maximale Last, bei der sich der Motor mit 100 pps drehen kann, ohne die Synchronisation zu verlieren, wird gespeichert.
2. Anschließend werden die Schritte 1–3 wiederholt, jedoch mit einer höheren Drehzahl, z. B. 200 pps usw.

Die in Schritt 3 gemessenen maximalen Lastwerte für jede Geschwindigkeit stellen die Betriebsdrehmomentkurve des Motors dar und sind in Abbildung 5 abgebildet. Aufgrund von Resonanz können bestimmte Geschwindigkeiten zu unregelmäßiger Bewegung des Motors führen und müssen vermieden werden, was zusätzlich im Betriebsdrehmomentdiagramm dargestellt wird.

Betriebsdrehmoment in der Praxis

In der Praxis wird die Betriebsdrehmomentkurve verwendet, um festzulegen, in welchem Drehmoment- und Drehzahlbereich die Motoren sicher im offenen Regelkreis betrieben werden können. Für das maximale Lastmoment wird in der Regel ein Sicherheitsfaktor von 30 % berücksichtigt (in Abbildung 6 durch die gestrichelte blaue Linie dargestellt), im Vergleich zum maximal verfügbaren Betriebsdrehmoment (in Abbildung 6 durch die durchgezogene blaue Linie dargestellt).

Außerdem wird das Betriebsdrehmoment verwendet, um das optimale Beschleunigungsprofil für den Motor zu ermitteln. In dem in Abbildung 6 dargestellten Beispiel sollte der Motor einen Arbeitspunkt erreichen, der durch das rote Kreuz dargestellt ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, den Motor auf die gewünschte Drehzahl zu beschleunigen:

1. Wird nur das maximal verfügbare Betriebsdrehmoment am gewünschten Arbeitspunkt berücksichtigt, beschleunigt der Motor linear mit einem konstanten Drehmoment. Es wird ein Mindestbereich des verfügbaren Betriebsdrehmoments verwendet, dargestellt durch das blaue Rechteck.
2. Eine komplexere Methode ist die Anpassung des Beschleunigungsmoments auf Grundlage des verfügbaren Betriebsdrehmoments. Bei niedriger Geschwindigkeit kann ein höheres Betriebsdrehmoment für eine schnellere Beschleunigung sorgen. Das Ergebnis ist eine nichtlineare Beschleunigung, wodurch die gewünschte Geschwindigkeit schneller erreicht wird. Der gesamte Bereich des verfügbaren Betriebsdrehmoments wird verwendet, dargestellt durch den orangefarbenen Bereich.

DAS BESCHLEUNIGUNGSDREHMOMENT VON SCHRITTMOTOREN

So wird das Beschleunigungsdrehmoment gemessen

Das Beschleunigungsdrehmoment kann z. B. mit dem in Abbildung 7 dargestellten Aufbau gemessen werden. Auf die Motorwelle wird eine Scheibe montiert, um die eine Schnur gewickelt wird. Die Zugkräfte F1 und F2 in der Schnur werden gemessen, und die Differenz zwischen diesen Kräften erzeugt ein Lastmoment auf den Motor, das vom Durchmesser der Scheibe abhängt. Die resultierende Last für die Motorwelle ergibt sich aus einem reinen Reibungsmoment mit vernachlässigbarer Lastträgheit. Die einzige Trägheit, die während der Messung auftritt, ist daher die Rotorträgheit des Motors. Der Motor ist an einen Treiber im Open-Loop-Modus angeschlossen und die gesamte Messung wird ohne Beschleunigungsrampe durchgeführt.

Die Messung läuft in der Regel folgendermaßen ab:

1. Eine geringe Last wird an den Motor angelegt.
2. Der Treiber wird auf eine niedrige Geschwindigkeit eingestellt und aktiviert. Wenn der Motor nun anläuft, wird derselbe Schritt mit einer höheren Geschwindigkeit wiederholt.
3. Sobald der Motor nicht mehr anläuft, hat man die maximale Startfrequenz für die gegebene Last ermittelt.
4. Die Schritte 1–3 werden anschließend mit einer höheren Last wiederholt.

Die in Schritt 3 erfassten maximalen Geschwindigkeitswerte stellen die in Abbildung 8 dargestellte Beschleunigungsdrehmomentkurve dar. In der Regel geben die Motorenhersteller (einschließlich Portescap) die Beschleunigungsdrehmomentkurve des unbelasteten Motors bei Messung mit einem bestimmten Treiber an. In der tatsächlichen Anwendung muss allerdings auch die Trägheit der Last berücksichtigt werden, da diese zusätzliche Trägheit, die auf die Motorwelle wirkt, das verfügbare Beschleunigungsdrehmoment des Motors verringert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Faktoren, die das Beschleunigungsdrehmoment eines Schrittmotors beeinflussen, folgende sind:

Die Motoreigenschaften – z. B. die Trägheit des Rotors
Die Trägheit der an der Motorwelle befestigten Komponenten
Das gesamte Lastmoment des Motors

BESCHLEUNIGUNGSDREHMOMENT IN DER PRAXIS

In der Praxis gibt es zwei charakteristische Szenarien, in denen das Beschleunigungsdrehmoment bei der Dimensionierung eines Schrittmotors verwendet wird:

Bei langsamer Bewegung, bei der keine Beschleunigung des Motors erforderlich ist, wird der Motor direkt mit der gewünschten Geschwindigkeit mit einer festgelegten Anzahl von Schritten pro Sekunde gestartet.
In bestimmten Fällen kann die Eigenresonanzfrequenz eines Schrittmotors umgangen werden, indem er mit einer Drehzahl oberhalb dieser Resonanzfrequenz gestartet wird. Dazu muss das Beschleunigungsdrehmoment bekannt sein.

FAZIT

 

Viele Motorenhersteller geben zwar die Beschleunigungsdrehmomentkurve an. Diese definiert allerdings die maximale Drehzahl und das maximale Drehmoment, bei denen der Motor ohne Beschleunigungsrampe anlaufen kann. In der Regel geben Motorenhersteller (einschließlich Portescap) die Beschleunigungsdrehmomentkurve des Motors ohne Lastmoment oder Trägheit bei Messung mit einem bestimmten Treiber an. Bei Anwendungen, bei denen eine zusätzliche Lastträgheit auf den Motor einwirkt, ist es am besten, sich mit dem Motorenhersteller in Verbindung zu setzen, um das verfügbare Beschleunigungsdrehmoment zu berechnen. In bestimmten Fällen kann die Eigenresonanzfrequenz eines Schrittmotors umgangen werden, indem er mit einer Drehzahl oberhalb der Resonanzfrequenz gestartet wird. Dazu muss das Beschleunigungsdrehmoment bekannt sein.

WENDEN SIE SICH AN EINEN INGENIEUR

Phase und Motordrehmoment eines BLDC-Motors
Abbildung 1 – Phase und Motordrehmoment eines BLDC-Motors
Schrittmotor mit einem Polpaar
Abbildung 2 – Schrittmotor mit einem Polpaar
Linke Seite: „Ideale“ Kommutierung eines Zweiphasen-Schrittmotors Rechte Seite: Realistische Kommutierung eines Zweiphasen-Schrittmotors (offener Regelkreis)
Abbildung 3 – Linke Seite: „Ideale“ Kommutierung eines Zweiphasen-Schrittmotors Rechte Seite: Realistische Kommutierung eines Zweiphasen-Schrittmotors (offener Regelkreis)
Aufbau zur Messung des Betriebsdrehmoments
Abbildung 4 – Aufbau zur Messung des Betriebsdrehmoments
Beispiel für eine Betriebsdrehmomentkurve
Abbildung 5 – Beispiel für eine Betriebsdrehmomentkurve
Konstante Beschleunigung im Vergleich zur Beschleunigung auf Grundlage des verfügbaren Betriebsdrehmoments
Abbildung 6 – Konstante Beschleunigung im Vergleich zur Beschleunigung auf Grundlage des verfügbaren Betriebsdrehmoments
Aufbau zur Messung des Beschleunigungsdrehmoments
Abbildung 7 – Aufbau zur Messung des Beschleunigungsdrehmoments
Beispiel für eine Beschleunigungsdrehmomentkurve
Abbildung 8 – Beispiel für eine Beschleunigungsdrehmomentkurve